Das Amt des Generalgoverneurs von Kanada ist ein historisch gewachsenes Amt, das zunächst vor allem dazu diente, die Krone im politischen Geschäft zu repräsentieren. Der Generalgoverneur oder die Generalgoverneurin ist der Stellvertreter/in der Krone von Kanada, genauer gesagt, der Königin von England. Dieses Amt darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die konstitutionelle Monarchie Kanadas eine rein formale ist, in der die Königin keinerlei politische Rolle spielt. Der Generalgouverneur wird zwar durch sie ernannt, dies aber nur aufgrund des Vorschlags des amtierenden Premierministers. Der Generalgouverneur selbst sein Amt in Absprache mit dem Parlaments und dem Premier aus. Die Königin hingegen hat keinerlei Einfluss auf die Amtsausübung des Generalgoverneurs.
Der Generalgoverneur besitzt einige dem deutschen Bundespräsidenten vergleichbare Befugnisse. Seine Aufgaben sind repräsentativ und überparteilich, zudem ist er der Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Er kann das Parlament einberufen, vertagen und auflösen. Zur Eröffnung der ersten Parlamentssitzung einer jeden Legislaturperiode verliest er die sogenannte „Thronrede“, die aber nichts anderes ist das die vom Premier und seinem Kabinett erstellte Regierungserklärung. Ähnlich dem Bundespräsidenten müssen beschlossene Gesetzes ihm zur Prüfung und Genehmigung vorgelegt werden. Auch kann er zahlreiche Posten vergeben, ist dabei aber immer an den Vorschlag des Premiers gebunden, er hat also Ernennungs- aber kein Vorschlagsrecht. Seine Aufgaben als Repräsentant der Krone sind aber eher Makulatur und schon deshalb erscheint dieses Amt als ein wenig anachronistisches Derivat des Commonwealth.
Derzeit ist der Generalgoverneur übrigens zum dritten Mal eine Gouverneurin, Ihre Exzellenz die höchst Ehrenwerte Michaelle Jean. So richtig scheint diese Frau nicht in diesem Amt zu passen, denn Michaelle Jean ist alles andere als unzeitgemäß. Das Männer und Frauen wie sie in den letzten zwanzig Jahren in dieses Amt berufen wurden, zeigt, dass die Kanadier dieses alte Amt modern umzudeuten wissen. Zudem hat die Berufung des Governeurs mehr und mehr symbolischen Zweck. Wie Michaelle Jean, die gebürtig aus Haiti stammt und als Kind mit ihren Eltern als politischer Flüchtling nach Kanada gab, hatten zahlreiche ihre Vorgänger/innen der letzten Jahre einen Migrationshintergrund. Und Michaelle Jean sieht ihre Aufgaben auch weit über die eigentliche Funktion des Amtes hinaus, denn sie ist eine Frau mit einer Botschaft.
Bei ihrer letzten Thronrede wirkte sie wie die typische Vertreterin der Gattung Politikerin: schnörkellose Brille, gut sitzendes Kostüm, schlank, professionell, eben wie jener Typ Frau, der etwas emotionslos immer alles im Griff hat, der weiblich wirkt, ohne allzu fraulich zu sein. Eine Woche später reist Michaelle Jean nach Haiti, in ihr Herkunftsland und zeigt ein ganz anderes Gesicht, eines, dass Condolezza Rice, Angela Merkel und Hillary Clinton sicherlich haben, aber öffentlich nicht zeigen mögen. In Haiti sieht man eine hochemotionale, weinende, wenig staatstragende Michaelle Jean, die dennoch vor den versammelten Journalisten eine feurige und couragierte Rede hält, in der sie besonders jungen Frauen Hoffnung auf eine bessere Zukunft machen will.
Michaelle Jean ist keine Karrierepolitikerin und vielleicht macht genau das den (wertfrei beobachteten) Unterschied aus. Nach ihrem Studium lehrte und forschte sie zunächst an verschiedenen Universitäten in Italien. Neben Englisch und Französisch spricht sie fließend Italienisch, Spanisch und Kreolisch. Zurück in Kanada hat die Journalistin eine erfolgreiche Radioshow. Zwar steht sie wohl dem separatischen Bloc Quebeciose nahe (und das finden viele Kanadier etwas mysteriös), hat aber keine aktive politische Laufbahn hinter sich gebracht.
Michaelle Jean ist eine Frau, die sich als Politikerin und stellvertretendes Staatsoberhaupt nicht einfach in eine Schublade packen läßt. Sie hat etwas geheimnisvolles, etwas, dass einen dazu bringt, lange über die nachzudenken. Auch die Kanadier wissen manchmal nicht recht, wo sie diese Generalgoverneurin hinstecken sollen. Erfrischend ist aber ihr scheinbar wenig prätentiöser Zug zur Macht (Generalgoverneurin zu werden läßt sich noch ein wenig weniger planen als Bundeskanzlerin zu werden), die Tatsache, dass sie in gewisser Form eine Quereinsteigerin ist. In Zeiten, wo allenthalben über die mangelnde Attraktivität der Gattung Politiker gesprochen wird (sowohl was ihre gesellschaftliche Stellung als auch die Neigung, selber einer zu werden, betrifft), zeigt sie, dass durchaus moderne Versionen dieser Gattung möglich sind.
Dienstag, 30. März 2010
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