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Dienstag, 28. September 2010

Die gleichen Ziele, die gleichen Ambitionen?

Die gleichen Ziele, die gleichen Ambitionen? Warum es eigentlich recht egal ist, ob Kanada oder Deutschland bei der Wahl im Oktober einen Sitz im Sicherheitsrat erhalten

Kanada und Deutschland haben im internationalen System mittlerweile einen vergleichbaren Status. Deutschland hat als traditionelle europäische Mittelmacht wieder erheblichen Einfluss auf der internationalen Bühne, nicht zuletzt auch deshalb, weil Berlin in den letzten zhen Jahren von mehreren Seiten zu einer stärkeren internationalen Präsenz gedrängt wurde. Öhnliches gilt auch für den nördlichen Nachbarn der USA und Kanada nutzte die Phase schwächer werdenden us-amerikanischer Macht zur Konsolidierung der eigenen Position. Beide Länder haben derzeit konservative Regierungen, wobei zumindest im Falle Kanadas eine grundsätzlich andere Außenpolitik auch bei einem Regierungswechsel nicht unbedingt zu erwarten steht. Sowohl Ottawa als auch Berlin sind mittlerweile über ihre traditionelle Rolle als Vermittler und Mittelgeber hinausgewachsen und mit ihren Streitkräften an zahlreichen internationalen UN-, aber auch NATO-Einsätzen beteiligt. Und doch, beide Seiten nehmen diese Veränderung nur zögerlich an, haben ihre neue Rolle in der internationalen balance of power scheinbar noch nicht recht gefunden, was auch daran liegen mag, dass die jeweilige Bevölkerung beider Länder bei der Frage nach Auslandsinterventionen gespalten sind. Außeneinsätze können in beiden Ländern durchaus Einfluss auf den Ausgang von Wahlen nehmen, wie in Deutschland zuletzt während dem Bundestagswahlkampf 2002 geschehen.

Genau diese gespaltene Position zwischen Entwicklungshelfer und Militärmacht dürfte auch in beiden Fällen die kommende Ratsperiode prägen. Der Erfinder der „responsibility to protect“, Kanada hat dabei auf der Ebene der internationalen Debatte um Sinn und Zweck von Peace-keeping-missions (und damit auch der Vereinten Nationen als Institution) ein deutlich höheres Ansehen als Deutschland. Deutschland ist aber diplomatisch einflussreicher, vor allem in Russland und China, den beiden oft schwierigen Veto-Mächten im Sicherheitsrat, aber auch als Vermittler und Partner im Nahen Osten – nach dem absehbaren Scheitern der derzeitigen Friedensgespräche auch zukünftig leider ein Dauerthema.

Paul Heinbecker, ehemaliger kanadischer Botschafter bei der UN, formuliert Kanadas Agenda als ernst zunehmender global player. Im Vordergrund der Ratsperiode sollten Menschenrechte und Demokratie, Armutsbekämpfung und Abrüstung stehen. So fordert er von Stephen Harpers Regierung besonders den Kampf für die Verbesserung von Frauen- und Kindergesundheit weltweit zu intensivieren. Eine thematisch andere Agenda dürfte aber auch von einem Ratsmitglied Deutschland nicht zu erwarten sein. Deutschland hingegen hat signalisiert, ein Gegengewicht zur Interessenpolitik der ständigen Mitglieder setzen zu wollen. Der auch in der konservativ-liberalen Regierung vorhandene Skeptizismus gegenüber den USA dürfte dabei eine Linie fortsetzen helfen, die Deutschland schon in seiner letzten Wahlperiode 2004/05 vertreten hat. Damals hatte die rot-grüne Bundesregierung den Irak-Krieg der USA auch im Sicherheitsrat zu verhindern versucht, nachdem man bereits signalisiert hatte, seinerseits keinerlei Truppen zru Verfügung zu stellen. Deutschland ist auch eines der größten Geberländer und hofft daher zu Recht auf entsprechende Berücksichtigung.

In Deutschland ist die Sicherheitssitzfrage traditionell umstritten. So wünscht sich eine Seite seit längerem einen festen, ständigen Sitz im Sicherheitsrat, wobei diese Forderung mit der zunehmenden Einigung Europas in der letzten Dekade etwas in den Hintergrund gerückt ist. Dies spiegelt auch die Gegenstimmen gegen einen solchen Status, denn schon immer haben besorgte Stimmen geäußert, dass drei ständige Sitze für europäische Staaten einer gerechten Verteilung von Macht in der Welt entgegenstünden. Genau diese Stimmen fordern heute denn auch oft die vollständige Reform des Systems, nach der die europöischen Länder künftig nur mit einem EU-Sitz vertreten sein soll, ein Gedanke, der in London und Paris nicht auf allzu große Gegenliebe stößt.

Und manche Stimmen scheuen auch die Verantwortung, jene, die Berlin lieber zurückhaltender in der internationalen Politik sehen wollen. Die internationalen Einsätze vom Kosovo über Afghanistan bis in den Libanon sind nicht unumstritten, weder in der Bevölkerung, noch der Politik. Das die Regierungskoalition nun die Abschaffung der Wehrpflicht beschlossen hat, deutet aber auch an, die zukünftige Arme professioneller und einsatzfähiger gestalten zu wollen. Die Abschaffung verlief in der Öffentlichkeit relativ unkommentiert, vielen scheint nicht klar zu sein, dass dies für die Zukunft wohl eher eine aktivere militärische Rolle Deutschlands mit sich bringen wird.

Für die UN und den Sicherheitsrat wird es kaum einen Unterschied machen, ob Ottawa oder Berlin in den nächsten zwei Jahren erhöhten Einfluss erlangen. Beide haben ein Interesse, die bisherigen Veto-Mächte zu behindern und die unterrepräsentierten Staaten der Zweiten und Dritten Welt stärker in die Vereinten Nationen einzubinden. Beide Staaten sind für eine auf Entwicklung ausgerichtete Politik bekannt, Kriegseinsätze gelten hier wie dort als letztes Übel. Es bleibt also entspannt abzuwarten, wer von den beiden das Rennen machen wird. Sorgen muss man sich keine machen.

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